Stand-up-Meeting oder die Magie der 5-Minuten-Terrine
Nachdem ich mich in einem meiner letzten Blogartikel über als Besprechungen getarnte Kaffeekränzchen lustig gemacht habe, geht’s heute mal um Effizienz. Meeting in nur 5 Minuten. Projektina hat zur 5-Minuten-Besprechung geladen. Ob’s klappt?
Projektina, die zurzeit ein Projekt bei der Firma Platzhirsch als Interim-Projektmanagerin leitet, hat in der Produktion zur Besprechung geladen, um die aktuellen Probleme in der Produktion anzugehen. Als Entscheidniks und die anderen Kollegen schlag 11 Uhr auftauchen, ist Projektina schon da.
Projektina: „Hallo zusammen, schön dass ihr pünktlich seid.“
Entscheidniks: „Wo machen wir das Meeting? Hier?!“
Projektina: „Genau hier. Stand-up-Meeting. Geht schneller und im Stehen arbeiten soll doch auch ganz gesund sein. Ihr könnt eure Laptops zugeklappt lassen, ich mache gleich das Protokoll in Stichworten und schicke es euch dann zu. Wir machen das mal formlos.“
Entscheidniks: „Echt jetzt???“
Projektina: „Echt jetzt!“
Petra Müller (Qualitäterin): „Ok, ich habe in der Agenda gesehen, dass du das letzte Qualitätsproblem mit Staubluft vom Lieferanten Sahara besprechen willst. Hast ja auch gleich Bilder mitgeschickt. Ich hab mir die Infos zum Lieferanten angesehen. Bisher war bei dem alles in Ordnung.“
Peter Meier (Produktion): „Ich habe hier aber die fehlerhaften Teile von den letzten 7 Tagen. Sieht so aus, als hätten die tatsächlich ein Problem.“ Er reicht die Teile rum.
Projektina (tippt fleißig): „OK, dann schlage ich vor, Petra und Peter fahren morgen früh zu Sahara. Und schaut euch das ganze live und in Farbe an. Meiner Ansicht nach gibt es zwei Möglichkeiten, wo das Problem herkommen kann: in deren Produktion oder beim Transport. Was machen wir in der Zwischenzeit, bis das Problem bei denen gelöst ist?“
Entscheidniks: „Also Sie haben ja schon angedeutet, dass die Frage kommen könnte. Ich habe mir da schon mal ein paar Gedanken gemacht, wird aber nicht einfach…“
Projektina unterbricht ihn: „Wir brauchen aber eine schnelle Zwischenlösung, bis das Problem beim Lieferanten gelöst ist!“
Peter Meier: „Also gut, ich kläre mit meinem Team heute Nachmittag, wie viele fehlerfreie Teile wir noch am Lager haben. Falls das nicht mehr genug sind, schicke ich einen meiner Leute zum Aussortieren zu Sahara.“
Projektina (tippt weiter): „Klingt gut, So machen wir’s. Danke Peter … Prima, dann hätten wir ja alles besprochen. In 10 Minuten habt ihr das Protokoll und morgen Nachmittag 16 Uhr machen wir das Follow-up.“ Schaut auf die Uhr. „5 Minuten 30, nicht schlecht. Funktioniert tatsächlich.“
Das war ja wirklich eine super schnelle Besprechung. Hat Projektina die Teilnehmer mit ihrer 5-Minuten-Terrine überrumpelt, oder war Magie im Spiel? Funktionieren solche Stand-up-Besprechungen wirklich? Sind sie das Allheilmittel gegen stundenlange, öde Besprechungen ohne Ergebnis? Oder ist es nur Augenwischerei?
Das Stand-up-Meeting oder was man in 5 Minuten wirklich erreichen kann
Die Stand-up-Besprechung oder manchmal auch 5-Minuten-Terrine genannt ist eine kurze, formlose Besprechung zur Kommunikation oder Diskussion aktuell brennender Themen. Sie wird auch 5-Minuten-Terrine genannt, weil das Ziel ist, ein Thema in 5 Minuten abzuhandeln. Klappt aber nicht immer und deshalb sind bis zu 20 Minuten Besprechungszeit auch in Ordnung.
Stand-up-Besprechung wird sie genannt, weil sie im Stehen stattfindet. Damit will man verhindern, dass es sich Besprechungsteilnehmer erst einmal auf ihren Stühlen bequem machen und entsprechend lang brauchen, um zur Sache zu kommen. Außerdem macht es Spaß, wenn richtig etwas voran geht und das ist bei Stand-up-Besprechungen der Fall.
Gesundheitlich ist es auf jeden Fall ein Vorteil, wenn man seinen Hintern mal für ein paar Minuten aus dem bequemen Schreibtischstuhl wuchtet und im Stehen arbeitet.
Wofür sich die Stand-up-Besprechung eignet
Die Stand-up-Besprechung eignet sich für alle Themen, die konkret sind und kurz abgehandelt werden können, nur eine kleine Teilnehmerzahl haben und nicht viel Technik benötigen, also keinen Beamer oder ähnliches.
Damit sind Stand-up-Besprechungen ideal, um
- konkrete Qualitätsprobleme in der Produktion zu besprechen
- tägliche Projektkurzbesprechungen bei Projektkrisen durchzuführen
- tägliche Teambesprechungen abzuhalten
- Projektbesprechungen im Agile Projektmanagement abzuhalten
- Probleme unter Anwendung von San-Gen-Shugi zu lösen (dazu in einem späteren Artikel mehr)
- alle Themen zu besprechen, die sich in 20 Minuten oder weniger abhandeln lassen
- …
Wofür sich die Stand-up-Besprechung nicht eignet
Natürlich ist die Stand-up-Besprechung nicht für alles geeignet. Manchmal brauchst du einfach einen Besprechungsraum mit Beamer, Leinwand, vielleicht ein Flipchart und so weiter und so fort.
Unter folgenden Umständen solltest du zu einer Standard-Besprechungsform greifen:
Wenn…
- komplexere Themen mit einer größeren Gruppe besprochen werden müssen,
- einer oder mehrere Teilnehmer eine Präsentation mit Powerpoint zeigen sollen,
- die Agenda einen Zeitbedarf von mehr als 20 Minuten erkennen lässt,
- einige oder alle Teilnehmer online teilnehmen müssen,
- mehr als 5 Teilnehmer vorgesehen sind.
Stand-up-Besprechung. Aber richtig!
Wie bei jedem anderen Meeting solltest du dich als erstes fragen, ob die Besprechung überhaupt erforderlich ist oder die Sache nicht mit einer E-Mail oder einem Telefonat erledigt werden kann. Denn selbst wenn die Stand-up-Besprechung selbst nur 5 Minuten dauert, so ist der gesamte Zeitaufwand doch nicht unerheblich und das wird für eine unnötige Besprechung zu teuer. Rechnen wir das mal aus:
Zeitaufwand für Vor- und Nachbereitung inklusive Einladung: 1 Stunde
Aufwand für die Besprechung selbst für jeden Teilnehmer: Hin- und Rückweg je 10 Minuten, Besprechungszeit 10 Minuten = 30 Minuten
Das ergibt bei 5 Teilnehmern und einem Stundensatz von 50 Euro:
1 Stunde Vorbereitung + 5 * 30 Minuten Besprechung = 3,5 Stunden = 175 Euro
Dabei ist der Stundensatz noch niedrig angesetzt. Also sollte das Ergebnis deiner Besprechung schon mindestens 175 Euro wert sein.
Du solltest dich auch fragen, ob du mit demselben Teilnehmerkreis noch andere Dinge zu besprechen hast. Wenn du an einem Tag 3 Stand-up-Besprechungen zu verschiedenen Zeiten aber mit denselben Teilnehmern durchführst, ist das Prinzip ad absurdum geführt und du sparst Zeit und Kosten, wenn du eine normale Besprechung für alle Themen organisierst und alle Themen in eine Besprechung packst.
Wenn du ein Stand-up-Meeting organisieren willst, dann solltest du wissen, dass auch dazu trotzdem eine ordentliche Vor- und Nachbereitung gehört. Ansonsten tun dir nachher höchstens die Füße weh, aber erreicht hast du nichts.
Im Vergleich zu einer normalen Besprechung brauchst du für eine Stand-up-Besprechung eine deutlich bessere Vorbereitung. Das gilt für dich und die Teilnehmer, denn die Moderation ist anspruchsvoll, da du wenig Zeit hast, und deine Teilnehmer haben kaum Möglichkeiten, Informationen während der Besprechung zu besorgen. Sie müssen also alles dabei haben.
Folgende Dinge brauchst du auf jeden Fall:
- Du brauchst eine konkrete Agenda. Diese muss präzise enthalten, was genau besprochen wird und welche Information jeder Teilnehmer mitzubringen hat. Außerdem, was von den Teilnehmern erwartet wird und was du genau als Ergebnis der Besprechung erwartest.
- Einen möglichst kleinen Teilnehmerkreis. Der Teilnehmerkreis einer Stand-up-Besprechung ist handverlesen. Das heißt, du wirst nur Teilnehmer einladen, die konkret etwas zum Ergebnis der Besprechung beitragen können.
- Einen Stehtisch oder etwas Ähnliches, auf dem du deinen Laptop und gegebenenfalls zum Beispiel Produktproben ablegen kannst. Den Laptop brauchst du, um das Protokoll gleich vor Ort zu schreiben. Dann haben deine Teilnehmer es schon, bevor sie wieder an ihrem Schreibtisch sind.
- Einen Laptop mit ausreichend Batterie oder eine Verlängerungsschnur, damit dir der Strom nicht ausgeht (klingt banal, ist aber alles schon vorgekommen).
- Das Besprechungsprotokoll bereits als vorbereitete E-Mail, mit dem vorgesehenen Verteiler, damit du nur noch die Ergebnisse und den Aktionsplan einfügen musst. Es ist wichtig, dass du demonstrierst, dass du genauso Wert auf Effektivität bei dir selbst wie bei deinen Teilnehmern legst.
Bloß nicht!
So reizvoll es ist, Themen zeitsparend in einer Stand-up-Besprechung zu erledigen, so gibt es gewisse Risiken, derer du dir bewusst sein solltest:
Themen zu knapp behandeln
Bei Stand-up-Besprechungen kann es sehr leicht vorkommen, dass Teilnehmer in ihren Beiträgen einfach „abgesägt“ werden. So wie es ja auch Entscheidniks in unserer kleinen Geschichte passiert ist.
Hier musst du als Organisator eine Balance finden zwischen einem sinnvollen Beitrag, der nur noch ein paar Worte braucht um zum genialen Lösungsvorschlag zu reifen und dem „Laberhannes“, der nur heiße Luft produziert.
Manche Teilnehmer könnten mit dem Stehen Probleme haben
Es ist eine gute Idee, ein oder zwei Stühle bereit zu halten, für den Fall, dass ein Teilnehmer wegen Rückenschmerzen oder ähnlichen Problemen nicht stehen kann. Achte aber darauf, dass auch wirklich nur die Leute mit Rückenproblemen einen Stuhl bekommen, denn sonst bist am Ende du die oder der einzige, der steht.
Die Zeit vergessen
Nimm auf jeden Fall eine Uhr mit. In deinem eigenen Interesse solltest du die Dauer des Meetings im Griff behalten, denn du willst ja nicht euer aller Stehvermögen bis zum Geht-nicht-mehr ausreizen.
Zu viele Stand-up-Meetings hintereinander
Ein Stand-up-Meeting ist eine sehr intensive Angelegenheit. Es ist nicht nur körperlich anstrengend, sondern auch geistig. Nach meiner Erfahrung stumpfen 90% der Teilnehmer nach 3 Stand-up-Meetings nacheinander so ab, dass sie kaum noch in der Lage sind, etwas Sinnvolles beizutragen.
Nachbereitung vergessen
Keine Besprechung ohne ordentliche Nachbereitung. Ohne Nachbereitung ist jede Besprechung sinnlos, denn es wird nie irgendetwas geschehen und jeder Teilnehmer kann sich rausreden, wenn etwas nicht erledigt wurde.
Auch das Stand-up-Meeting braucht also eine Nachbereitung. Du solltest die Nachbereitung, wie auch das Meeting selbst, so knapp und effektiv wie möglich halten. Also kein langes, schön formuliertes Protokoll, sondern kurz und knapp in Stichpunkten was besprochen wurde und wer, was bis wann erledigen wird.
Jetzt bist du dran!
Schau doch mal in deinen Kalender und überlege dir, an welchen Besprechungen du in den letzten Wochen teilgenommen hast.
Waren sie zu lang?
Hätten sie auch als Stand-up-Meeting durchgeführt werden können?
Ganz besonders, wenn es angebracht ist, ein Problem am Ort seiner Entstehung (ich erinnere an San-Gen-Shugi), also z.B. in der Produktion, zu klären, könntest du es mal mit einem Stand-up-Meeting versuchen.
Du hast die Zeit investiert, diesen Artikel bis zu Ende zu lesen. Jetzt ist es an dir, dass du etwas davon hast. Probiere das Stand-up-Meeting doch bei nächster Gelegenheit mal in deinem Team aus und sieh dir die Unterschiede zu den klassischen Besprechungen an, die du vorher organisiert hast. Wo hattest du mehr Spaß? Denn denk daran, das Leben ist zu kurz, um keinen Spaß im Job zu haben. Also … viel Spaß!
Was fällt dir auf? War die Besprechung wirklich effizienter? Konntest du die Vorteile spüren? Ich bin gespannt auf deine Kommentare. Schreib sie bitte unten in die Kommentare oder schicke mir über unser Kontaktformular eine Nachricht. Ich beantworte alle Nachrichten auf jeden Fall persönlich.
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