Teamentwicklung nach Tuckman ist Quatsch!
In der heutigen Zeit, in der kaum ein Team mal für 6 Monate in seiner ursprünglichen Zusammensetzung zusammenarbeitet, ist dieses Modell nichts als schöne Theorie.
CHRISTIAN SACHS
Warum das Teamentwicklungsmodell nach Tuckman heute nicht mehr funktioniert, warum du es trotzdem kennen solltest und wie du damit arbeitest, darum geht‘s in diesem Blogartikel.
Das Modell von Tuckman, das von vielen Beratern und Trainern immer wieder promotet wird, beschreibt, wie sich ein Team von der Bildung des Teams bis zu dessen Auflösung entwickelt.
Nur, in der heutigen Zeit, in der kaum ein Team mal für 6 Monate in seiner ursprünglichen Zusammensetzung zusammenarbeitet, ist dieses Modell nichts als schöne Theorie.
Wie sieht das Modell von Tuckman konkret aus?
Bruce Tuckman, ein US-amerikanischer Psychologe, hat 1965 ein aus 4 Phasen bestehendes Modell entwickelt, wie sich Gruppen zusammenfinden. Das Modell hat dann recht schnell seinen Weg in die Welt des Managements gefunden, um die Phasen der Bildung eines Teams zu beschreiben. 1977 hat Tuckman es dann um eine fünfte Phase ergänzt. Und das sind die Phasen:
Phase 1: Forming – Die Findungsphase
In dieser ersten Phase wird das Team zusammengestellt, sei es für ein konkretes Projekt innerhalb des Unternehmens oder ein noch junges Unternehmen stellt zum ersten Mal ein Team zusammen. Die Teammitglieder lernen einander kennen und es werden erste Regeln und eventuell auch Ziele definiert. In der Praxis ist diese Phase relativ einfach zu managen und auch recht kurz.
Der Teamleiter (das mag der Unternehmer, Entrepreneur oder Manager sein) sorgt dafür, dass sich alle mit der neuen Situation wohlfühlen und vor allem die Kommunikation funktioniert.
Phase 2: Storming – Die Konfliktphase
In der Storming-Phase geht es in die Organisation der Aufgaben und der Arbeitsabläufe im Team. Und plötzlich wird den Teammitgliedern bewusst, dass das Ganze viel aufwändiger wird als gedacht, dass sie voneinander abhängig sind und gleichzeitig viele Dinge unterschiedlich sehen. Jeder versucht, seine Position im Team zu finden und zu sichern.
Das führt natürlich zu Konflikten. Da sind zum einen die Alphatiere, die dem Team ihren Stempel aufdrücken wollen und zum anderen die weniger machtbesessenen Teammitglieder, die versuchen sich nicht unterbuttern zu lassen.
Als Manager hast du hier mehrere Aufgaben. Du musst dich in dem ganzen Chaos behaupten, die Richtung vorgeben und den Fokus des Teams auf die Unternehmensziele lenken. Außerdem ist es wichtig, dass du dafür sorgst, dass die Konflikte auf den Tisch kommen, also nicht totgeschwiegen werden, und dass jeder seiner Meinung Ausdruck verleihen kann. Danach ist es deine Aufgabe, so zu vermitteln, dass aus den Konflikten etwas Positives entsteht.
Viel Leistung kannst du von deinem Team in dieser Phase nicht erwarten.
Phase 3: Norming – Die Regelungsphase
Nachdem in Phase 2 die Konflikte ausgetragen wurden, geht es jetzt darum, Regeln und Prozesse für die gemeinsame Zusammenarbeit zu entwickeln. Also zum Beispiel, wie wollen wir miteinander kommunizieren, wie lösen wir Konflikte und wie können wir uns gegenseitig unterstützen.
Als Chef ist es jetzt deine Aufgabe, dein Team dabei zu unterstützen, dass jeder im Team seine Rolle findet. Zudem musst du dafür sorgen, dass sich sinnvolle und produktive Regeln und Prozesse etablieren und dass diese von allen akzeptiert und eingehalten werden.
Die Aufgaben der einzelnen Teammitglieder sind meist in ihren Positionsbeschreibungen schon relativ klar definiert, können aber für ein zeitlich befristetes Projekt durchaus auch davon abweichen. Daher ist es wichtig, dass du dafür sorgst, dass die Mitglieder deines Teams ihre jeweiligen Aufgaben und Ziele annehmen und akzeptieren.
Phase 4: Performing – Die Leistungsphase
Jetzt kommt endlich die Phase, in der richtig was geleistet wird oder „where the rubber hits the road“ wie man auf Englisch so schön sagt. In der Theorie muss der Chef jetzt kaum noch eingreifen und kann sich auf Themen wie Zielvorgaben, Moderation und Coaching der einzelnen Teammitglieder beschränken.
Aus meiner Erfahrung ist die Leistungsphase aber auch diejenige, in der wieder viele neue Konflikte auftreten. Denn jetzt treten die klassischen Probleme der Exekutiv-Phase auf. Es gibt konkurrierende Prioritäten, und Einflüsse von innen oder von außen sorgen dafür, dass die Aufgaben nicht wie geplant abgearbeitet werden können.
In der Praxis besteht ein Teil deiner Aufgaben als Unternehmer tatsächlich in den Themen Verfolgen von Zielvorgaben, Moderationen und Coaching, aber auch darin, Prioritätskonflikte aufzulösen und deinem Team Steine aus dem Weg zu räumen.
Phase 5: Adjourning – Die Auflösungsphase
In der Theorie sind jetzt alle Aufgaben abgearbeitet und das Team wird aufgelöst. Wenn das Team für ein konkretes Projekt zusammengestellt wurde, wenden sie sich nun wieder anderen Aufgaben zu, sei es in neuen Projekten oder im Tagesgeschäft. Das Kritische in dieser Phase ist, dass eigentlich alles schon erledigt ist. Deine Teammitglieder sind in Gedanken schon längst weg, während eigentlich noch wichtige Aufgaben, wie zum Beispiel Lessons learned zu erledigen sind.
Deine Aufgabe als Manager liegt jetzt zum einen darin, dafür zu sorgen, dass dein Team bis zum letzten Tag am Ball bleibt und sich nicht vorzeitig auflöst und zum anderen die bis hierher erbrachte Leistung zu würdigen und den Erfolg zu feiern.
Warum das Tuckman-Modell heute nicht mehr funktioniert
Tuckman hat sein Modell 1965 entwickelt. Damals sah die Arbeitswelt noch ganz anders aus. Mitarbeiter traten nach Ausbildung oder Studium in ein Unternehmen ein und mit der Rente wieder aus. Das Tempo war entspannter und es soll tatsächlich vorgekommen sein, dass Teams während der gesamten Laufzeit eines Projektes in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung zusammenblieben.
Heute hingegen ist das ganz anders. Ich habe ich noch kein Team erlebt, das mehr als 6 Monate unverändert zusammengearbeitet hat. Und das gilt nicht nur für Teammitglieder, auch Manager und Projektleiter werden oft je nach den wirtschaftlichen Bedürfnissen von einer Abteilung oder einem Projekt zum anderen geschoben.
Dass damit das Tuckman-Modell ad absurdum geführt wird, sollte jedem auf Anhieb klar sein. In der Praxis befindet sich das Team permanent in allen 5 Phasen. Es kommen ständig neue Team-Mitglieder hinzu, andere bilden die große Konstante und wieder andere befinden sich auf dem Absprung. Und wenn alles gut läuft, bleiben sie wenigstens in der Firma und damit das Wissen um die Vergangenheit des Projektes weiterhin zugänglich.
Wie das Tuckman-Modell dir trotzdem weiterhilft
Jetzt fragst du dich vielleicht, warum ich dir fast 1000 Wörter lang ein Modell zur Teamentwicklung vorstelle, das gar nicht mehr funktioniert. Der Grund ist, dass du es trotzdem verwenden und einen Vorteil daraus ziehen kannst.
Wenn du das Tuckman-Modell nicht auf dein gesamtes Team, sondern nur auf einzelne Team-Mitglieder und deren Verhältnis zueinander beziehst, dann macht es auch in dynamischen Arbeitsumgebungen plötzlich wieder Sinn.
So ist zum Beispiel die dynamische Vertriebsdame, die gekündigt hat, im Adjourning-Modus und ihr Nachfolger, den sie einarbeitet, gerade im Storming-Modus, und du als Chef bist vielleicht gerade in der Norming- oder Performing-Phase.
Jetzt kannst du dann dein Verhalten gegenüber jedem Teammitglied oder, falls du der Neue bist, dem gesamten Team gegenüber, entsprechend der Phase anpassen, in der ihr euch gerade befindet. Das mag dir jetzt zwar erst einmal komplex vorkommen, aber wenn du dich daran gewöhnt hast, dann geht es wie von selbst.
Jetzt bist du dran!
So, jetzt bin ich gespannt auf dein Feedback. Wie ist deine Erfahrung mit deinen Teams? Hattest du tatsächlich einmal ein Team, das von Anfang bis Ende mit denselben Leuten besetzt war? Oder ist es bei dir eher so wie bei mir, dass die Teammitglieder und Manager fröhlich durchgewechselt haben?
Bitte schreib mir deine Erfahrungen und Tipps unten in die Kommentare.
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